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Tag 2

Eigentlich liegt mein Hotel wirklich nur einen kurzen Spaziergang von der Halle entfernt, doch typisch für Amerika gibt es hier tatsächlich keine Bürgersteige und alle Leute wundern sich, dass ich so eine Distanz ernsthaft zu Fuß bestreite. Sorry, aber ich habe keinen Mietwagen und seit gestern weiß ich, dass ein Taxi nur für die Anfahrt $10 berechnet. Also mache ich mich gegen 9.30 auf den Weg zu "Wild Bill´s", der Halle die USA Network für die Show angemietet hat. Als ich ankomme, stehen schon ungefähr 100 Leute in der Schlange vor der Halle und warten mit Anmeldeformularen, Gitarren und Cowboyhüten auf den Einlaß zum Open Call. An den Nummernschildern auf dem Parkplatz geht hervor, dass die Kandidaten aus den ganzen Südstaaten angereist sind. Einige erkennen sich wieder, da sie in Jacksonville, Little Rock oder anderswo schon vorgesungen haben und nun hier erneut ihr Glück versuchen. Wie man hört, ist die Jury sehr streng und der Wettbewerb hat ein sehr hohes Niveau. Hinter mir steht Jason aus dem Norden Georgias, der noch nicht weiß, ob er "These Days" von Rascal Flatts oder doch lieber Chris Cagle´s "I Breath In, I Breath Out" zum Besten geben soll. Wir singen uns warm und ich höre zum ersten mal, auf was für starke Mitbewerber ich mich einstellen muss. Vor mir stehen zwei Mädels aus Louisiana und Mississippi sowie Anthony, ein schwarzer Countrysänger aus Miami. Wir unterhalten uns und vertreiben uns die Wartezeit. Mindestens zwanzig Schwarze stehen übrigens in der Schlange zum Vorsingen. Für mich ist das eine neue Erfahrung, denn ich wusste bisher nicht, dass es sowas gibt, außer Charley Pride. Punkt 10 gehen die Türen auf und nach einer guten Stunde sind alle 180 Bewerber registriert. Ich habe die Startnummer 102 und höre mir eine halbe Stunde die ersten Kandidaten an. Alle sind wirklich saugut. Es ist nicht wie in Deutschland, wo mindestens die Hälfte aller Bewerber nicht mal die Töne treffen. Da eine Teilnahmevoraussetzung eigene, bei ASCAP oder BMI registrierte Songs sind, singen hier ausschließlich Leute vor, die zumindest teilweise ihr Geld mit ihrer Musik verdienen. Ich bin überrascht von der Coversongauswahl. Es gibt eine Songliste mit ungefähr 50 Titeln, die für die Audition zugelassen sind. Auffallend viele Damen singen Martina McBride´s "Independence Day" oder Patty Loveless´ "Blame It On Your Heart". Bei den Herren hört man sehr oft "When You Say Nothing At All", das ich bisher gar nicht als Countrysong kannte. Ich wusste nur von der Ronan Keating-Version. Aber anscheinend habe schon Alison Krauss und Keith Withley dieses Lied gesungen. Merkwürdig ist die Coversongliste allemal: von Elvis über Country Classics bis hin zu New Country ist alles dabei, aber auch harte Sachen von Bruce Springsteen und anderes countryfremde Material.
Jeder hat am ersten Tag nur 30 Sekunden Zeit und muß a capella die fünfköpfige Jury vor den Kameras überzeugen. Bis morgen sollen nur noch 80 Kandidaten übrig sein, die zur zweiten Runde eingeladen werden. Ich spreche mit Jim, einem der Produzenten und kläre mit ihm einige rechtliche Details. Ich bin GEMA-Mitglied, aber nicht bei ASCAP oder BMI registriert. Daher habe ich meine Eigenkompositionen über ein internationales Verwertungsgeflecht durch die GEMA in den USA anmelden lassen. Die Unterlagen sind in Deutsch, ich musste sie übersetzen und notariell beglaubigen lassen. Außerdem habe ich einen Anwalt in Amerika engagiert, sicher ist sicher. Denn eigentlich muß jedes Lied, auf das man Copyright anmeldet, der Library Of Congress in Washington zugehen und für jeden Titel darf man eine Bearbeitungsgebühr von $60 bezahlen. Der Produzent ist natürlich sehr überrascht, dass jemand den weiten Weg aus Deutschland kommt, nur um hier vorzusingen. 12 Stunden Flug für 30 Sekunden Bühne. Ist ja auch wahnsinnig, wenn man sich das überlegt. Doch die Wettbewerbsregeln sagen ausdrücklich, dass Bewerber aller Nationalitäten zugelassen sind. Meine Unterlagen gehen okay und ich brauche auch keine Social Security Number, um teilzunehmen. Außerdem müssen wir noch klären, wieviel Fuß ich den groß bin (nichts mit Zentimetern) und wieviel ich ungefähr wiege (nichts mit Kilogramm).
Danach habe ich noch Zeit, mal locker in das Hutgeschäft zu gehen, dass gestern nacht geschlossen hatte. Ich suche mir einen neuen Stetson aus und treffe im Geschäft einige Mitbewerber, die es schon hinter sich haben. Sie sind morgen in Runde zwei und holen sich hier ein neues Outfit. Man wünscht mir Glück und sagt "Hope to see you tomorrow!" Ja, dass hoffe ich sehr. Doch bei diesen Talenten, die ich bisher gehört habe, ist diese Hoffnung nicht sehr groß. Ich überlege ernsthaft, ob ich vorsingen oder mir doch lieber sofort ein paar schöne Tage in Atlanta machen soll. Aber dafür bin ich nicht gekommen, also ab in die Halle, die ich nun mal gründlich inspizieren kann. 5000 Leute passen rein und für gewöhnlich stehen hier Acts wie Keith Urban und LeAnn Rimes auf der Bühne. Trace Adkins spielt heute abend und übermorgen Faith Hill. Die Bühne ist gigantisch und man wirbt damit, Amerika´s größte Tanzhalle zu sein. Stimmt wohl auch, vor der Bühne ist Parkett genug für hunderte Linedancer. 
Executive Producer Dave kommt mit einem Kamerateam zu mir und sagt, er habe mich schon die ganze Zeit gesucht. Ob ich ein Interview für die Sendung geben würde? Klar, sehr gerne. Ich werde gefragt wer ich bin, was ich hier mache und soll auch noch eine kleine Kostprobe geben. Ich singe den Titel, den ich auch gleich der Jury vortragen will: "Who´s Your Daddy" von Toby Keith. Die Jury besteht übrigens aus gestandenen Persönlichkeiten der Country Music Industry. Mitglieder der CMA, CMT-Redakteure und A&R-Manager entscheiden über Wohl und Wehe der Kandidaten. Das beste aus der Audition und die Interviews werden von USA Network, einer großen Kabelfernsehgruppe, die zu Universal gehört am 6. März in der ersten Sendung "The Road To Nashville" landesweit ausgestrahlt.
Jetzt bin ich bin dran, trete vor die Jury und die Kameras. Ich stelle mich kurz vor, nenne Namen, Startnummer, Alter und Herkunft (wobei ein Raunen durch die Halle geht) und fange an zu singen. Ich komme bis zum ersten Refrain, dann fängt die Jury an, zu klatschen. Dies ist das Zeichen, aufzuhören. Die Jury berät sich kurz, jeder füllt einen Zettel aus und reicht ihn dem Moderator. Nun kommt es drauf an. Habe ich verloren, sagt er "Thank you, send in your video for a review" und weist so auf die Möglichkeit hin, über ein Homevideo von der Produktionsfirma nachnominiert zu werden. Ansonsten heißt es "See you tomorrow!" Und genau das sagt der Moderator zu mir! Ich mache einen Luftsprung vor Freude und bedanke mich artig bei der Jury. Als ich von der Bühne komme, fängt mich ein Mitarbeiter von ABC Radio Networks ab. Es ist "Buck In The Truck", der rasende Reporter des offiziellen Sponsors der heutigen Veranstaltung, KICKS Country, 101.5 FM. Er fragt, ob ich ein Liveinterview am Telefon mit dem Star der Show, einem gewissen "Cadillac Jack" machen würde. Man wäre sehr interessiert, den Mann mit der weitesten Anreise zu sprechen. Was für eine Frage, her mit dem Handy! Minuten später begrüßt mich "Cadillac Jack" am Telefon und fragt mich, wie es gelaufen sei. Ich sage ihm, ich bin eine Runde weiter und nein, in Deutschland hat Country keine große Anhängerschaft. Jack wünscht mir Glück und ich höre mir die anderen Kandidaten an. 
Ein schwarzes Mädchen begeistert die Zuschauer und auch mich besonders, sie singt "Independence Day" und kommt weiter. Ich muß ihr einfach gratulieren, die Stimme hat mich vom Hocker gerissen. Soviel Soul in Country Music, einfach unbeschreiblich gut. Ich unterhalte mich mit ihr. Kimberly aus Memphis ist 21 und hat schon bei American Idol (der US-Version von Superstar) mitgemacht. In New York hat sie beim Casting zwei Tage vorher (!) in der Schlange gestanden und war als Dreißigste an der Reihe. Es war tiefster Winter und als sie vorsingen sollte, war die Stimme natürlich weg. Bei Kimberly liegt die Musikalität aber in der Familie, sie ist immerhin die Nichte von Blueskönig B.B. King. Sie singt mir zwei eigene Songs vor und bittet mich, das Bessere Lied davon für morgen auszusuchen. Im Gegenzug feilt sie noch am Text meiner Eigenkomposition. Morgen dürfen wir uns an Gitarre oder Keyboard selber begleiten. Da Kimberly kein Instrument spielt, fragt sie mich, ob ich sie begleiten kann. Welche Ehre, gerne sogar. Wir verabreden uns für eine Probe morgen früh und verlassen die Halle.
Ich gehe zur nächsten Mall, ein paar Weihnachtsgeschenke einkaufen. Außerdem habe ich meinen Glücksschal irgendwo in der Halle verloren. Er ist von einer lieben Freundin und ich trage ihn schon seit Jahren. Es ist bitterkalt in Georgia. Ich suche mir einen neuen Schal aus und gehe zurück ins Hotel, um zu proben. Im Fernsehen läuft auf NBC die letzte Folge von Average Joe, DEM Fernseh-Highlight der USA. Die schöne Melana soll sich zwischen zwei Männern entscheiden, ein Vorgeschmack auf Reality-TV, wie es mich vielleicht ja auch bald erwartet. Außerdem muß ich weiteren Papierkram für morgen fertig machen. Da wir laut Produzent garantiert im Fernsehen ausgestrahlt werden, müssen wir Zweitrundler alle möglichen Genehmigungen und Lizenzvereinbarungen unterschreiben. Es gibt Schlimmeres!
Zum Einschlafen schalte ich das Radio ein. Es läuft natürlich KICKS Country und zum ersten mal höre ich die Show von "Cadillack Jack", mit dem ich am Nachmittag noch telefoniert habe.

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